Die nachstehende Reisebeschreibung und die Fotografien stammen von unserem Vereinsmitglied Lutz Wilfert und sollten unseren verehrten Homepage-Besuchern nicht vorenthalten werden:
Am 15. Oktober war es soweit. Sechzehn Hanauer Bürgerinnen und Bürger, angeführt von Stadtrat Dr. Ralf-Rainer Piesold und dem stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteher Torsten Becker einerseits und von Vertretern des Partnerschaftsvereins, Lutz Wilfert und Günther Jochem, beide auch ehrenamtliche Stadträte im Hanauer Magistrat, machten sich von Frankfurt aus auf den Weg in die Partnerstadt Tottori.
Nach einem fast zwölfstündigen Flug mit einer Linienmaschine der Lufthansa und einer Zeitverschiebung von sieben Stunden wurde die Delegation am Folgetag gegen 9.00 Uhr auf dem Kansai-Airport in Osaka durch Michael Schultz in Empfang genommen. Michael Schultz stammt aus Halle und studiert japanisch. Er ist bei der Stadt Tottori angestellt, um dort unter anderem die Belange der Partnerschaft Tottori-Hanau zu koordinieren.
Mit dem Bus ging die Reise weiter. Zunächst bis in die Stadt Osaka, wo für wenige Stunden Gelegenheit bestand, erste Eindrücke von Japan zu sammeln. Auffällig war für alle die enge Bebauung und die oberirdische Führung der elektrischen Leitungen. Jedes noch so kleine Fleckchen Erde ist bebaut, das Chaos scheint vorprogrammiert. Jeder Stadtrat in Deutschland würde sich die Haare raufen und wahrscheinlich seinen Beruf an den Nagel hängen.
Am frühen Nachmittag ging dann die Busfahrt weiter nach Tottori, wo die Gruppe gegen 17 Uhr eintraf. Die Fahrt führte durch eine Landschaft, die viel Ähnlichkeiten mit der Schweiz hat. In Tottori angekommen wurden die Hotels bezogen. Wer aber dachte, die nun fast 24 Stunden dauernde Reise sei zu Ende, sah sich getäuscht. Auf dem Programm stand noch eine erste Begegnung mit Vorstandsmitgliedern des dortigen Freundschaftsvereins. Herzlich begrüsst wurden die Hanauer Gäste vom Vorsitzenden des Vereins, dem emeritierten Professor Jiro Yamamoto. Bei dem anschließenden Abendessen konnten die Teilnehmer aus Deutschland erste Erfahrungen mit dem Reiswein Sake machen und den Kampf mit den Stäbchen aufnehmen.
Gegen Mitternacht ging es dann endlich ins Bett. Doch nun begann der Kampf mit der Zeitverschiebung. Fast alle Teilnehmer erzählten am nächsten Morgen, nach etwa vier Stunden bereits wieder wach gewesen zu sein.
Am nächsten Tag standen dann die ersten offiziellen Besuche auf dem Programm, so beim Inaba-Kindergarten. Von den Kindern herzlich mit einem deutschen Kinderlied begrüsst, wurden die ersten Fotos geschossen. Besonders beeindruckten hier der kindergarteneigene Bus und die von den Kleinen vorgeführten Geschicklichkeitsspiele. Der Umgang mit dem Kreisel und den kleinen Bällen erinnerte manchen Besucher an seine Kindheit. Kinderspiele scheinen international zu sein.
Auffallend für die deutschen Besucher war die außerordentliche Disziplin der Kinder, wobei diese keineswegs unglücklich wirkten. Disziplin, die sich auch bei einem späteren Besuch in einer Grundschule zeigte, scheint überhaupt ein Wesensmerkmal der Japaner zu sein.
Im Anschluss ging es dann ins Rathaus zu einem Empfang bei Oberbürgermeister Isao Takeuchi, der voller Stolz die liebevoll gestaltete “Hanau-Ecke” und den Stadtparlamentssaal zeigte. In der Hanau-Ecke werden Erinnerungsstücke vorausgegangener Freundschaftsbesuche ausgestellt und so die partnerschaftlichen Beziehungen zu Hanau lebendig gehalten. Bei dem folgenden Mittagessen liess es sich Isao Takeuchi nicht nehmen, seine Gäste mit dem professionell vorgetragenen deutschen Volkslied “Sah ein Knab ein Röslein stehn” zu überraschen.
Der Nachmittag war mit einem Besuch bei der lokalen Industrie- und Handelskammer sowie Besichtigungen einer Fischfabrik und des Elektronik-Konzerns Sanyo ausgefüllt. Der Präsident der IHK, Toshiaki Nasu, zeigte sich hocherfreut und bekäftigte den Wunsch von Kontakten zur Hanauer IHK. Der Hanauer Wirtschaftsdezernent Dr. Piesold bedankte sich für die herzliche Aufnahme und wies auf die guten Beziehungen sowie auf Hanau als Standort japanischer Betriebe hin. Außerdem gäbe es gute Kontakte zum japanischen Generalkonsul in Frankfurt.
Der nächste Tag, immerhin schon der 18. Oktober, war vormittags mit einer Schiffsfahrt auf dem Japanischen Meer und der Besichtigung de Sanddünen vor den Toren von Tottori sowie dem Besuch des Sandskulpturenmuseums ausgefüllt. Die Schiffs- fahrt führte durch eine zerklüftete Küstenlandschaft, deren bizarre Felsformationen einen Eindruck und das Verständnis für die auch in Europa bekannten Tuschezeichnungen vermittelte und gleichzeitig herrliche Strände zeigte, an denen die Bürger von Tottori Sommerfreuden genießen.
Das Wetter, immerhin 23 Grad Celsius und herrlichster Sonnenschein, vermittelte uns Besuchern den Eindruck eines schönen Sommertages. Kaum verwunderlich, liegt doch Tottori in etwa auf der Höhe von Nordafrika. Fasziniert waren alle von den Ausmaßen der Sanddüne. Das Sandskulpturenmuseum zeigt Stätten des Weltkulturerbes ganz aus Sand geformt, darunter die chinesische Mauer.
Diese Sanddünen sind eine touristische Attraktion und gleichzeitig ein Arbeitsbeschaffungsprogramm. Die Arbeitslosigkeit in Japan, bei einer vergleichbaren Volkswirtschaft, liegt bei etwa 3,9 Prozent.
Danach stand ein Besuch im Warabe-Kan auf dem Programm. Das Internationale Spielzeugmuseum ist die Keimzelle der Partnerschaft zwischen Tottori und Hanau. Schliesslich waren das Hessische Puppenmuseum mit ihrer Gründerin Gertrud Rosemann un das Spielzeugmuseum durch den kulturellen Austausch in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Grundsteine für die Städtepartnerschaft, die 2001 amtlich besiegelt wurde. Eindrucksvoll waren neben einer Fülle von Spielzeugen auch zahlreiche Exponate Hanauer Herkunft. Darüber hinaus zelebrierte ein Meister die berühmte Origami-Papierfaltkunst.
Der Abend war von einem gemeinsamen Abendessen auf Einladung des Vorsitzenden des Stadtparlaments, Eiichi Uesugi, geprägt, bei dem die japanischen Spezialitäten wie Sushi und roher Fisch genossen und der Kampf mit den Stäbchen erneut aufgenommen werden konnte.
Am Vormittag des vierten Tages wurde den Teilnehmern durch Mitglieder des Feundschaftsvereins die berühmte japanische Teezeremonie in traditionellen Kimonos vorgeführt, die uns Hanauern wiederum einen eindrucksvollen Einblick in die tiefe Verwurzelung der Japaner in ihre Traditionen ermöglichte.
Das Mittagessen folgte auf Einladung der Asuka-Ladies. Diese Frauenbewegung, streng organisiert, beschäftigt sich vor allem mit Fragen der Gleichberechtigung. Mehr als ein Dutzend der Asuka-Ladies waren im vergangenen Jahr auch zu Gast beim Partnerschaftsverein in Hanau. Das Essen, ganz in japanischer Tradition, wurde auf dem Boden sitzend eingenommen, was naturgemäß für Europäer äußerst gewöhnungsbedürftig ist.
Am Abend fand dann der große Empfang durch den Freundschaftsverein Hanau-Tottori statt, an dem auf Seiten der Freunde aus Tottori mehr als sechzig Mitglieder teilnahmen. Der Abend war geprägt durch die Tanzvorführung eines über achtzigjährigen Seniors und den obligatorischen Gesangsdarbietungen. Vorgewarnt hatte sich die Hanauer Delegation mit den Noten von “Hoch auf dem gelben Wagen” versorgt, so dass sich die gemeinsame Chorvorführung durchaus sehen lassen konnte. Gemeinsam wurde dann auch noch das “Heideröslein” gesungen. Es war ein eindrucksvoller gemeinsamer Freundschaftsabend zum Abschluss unseres Aufenthalts in Tottori.
Am Abreisetag stand dann noch der Besuch der Nakanogo-Grundschule, die eine Partnerschaft mit der Hanauer Ludwig-Geissler-Schule unterhält, des Rot-Kreuz-Krankenhauses und der privaten Umweltuniversität in Tottori auf dem Programm. In dem Krankenhaus wurde uns die gemeinsame interdisziplinäre Aufnahmestation gezeigt, was im übrigen auch den Planungen des Klinikums Hanau bei dessen Neu- und Umbauarbeiten entspricht.
Nach dem Abschied von Tottori wurde unsere Reise mit einem Kurztrip in die alte Kaiserstadt Kyoto komplettiert. Die eintägige Stadtbesichtigung, die auch zwei Hotelübernachtungen mit einschloss, war äußerst beeindruckend, bevor am frühen Morgen des 22. Oktobers die Bahnfahrt zum Flughafen angetreten werden musste.
Am frühen Abend des 22. Oktobers war die Reisegruppe übermüdet aber voller neuer Eindrücke wieder in Hanau angekommen. Einhelliges Fazit der Teilnehmer: Eine lohnenswerte Reise und eine tolle Erfahrung in Sachen Gastfreundschaft, Völkerverständigung und lebendige Städtepartnerschaft.